Amnon Weinstein

Violinen der Hoffnung

“Die Familien meiner Eltern wurden im Holocaust ermordet. Ich spreche von 380 Menschen, die umgekommen sind. Sie werden verstehen, weshalb ich in meiner Kindheit nichts mit dem Holocaust zu tun haben wollte.

Oft waren Überlebende einige Tage in unserer Wohnung in Tel Aviv zu Gast. Mein Zimmer lag neben dem Gästezimmer. In den langen Nächten hörte ich sie weinen.

Ich kann mich noch an das Brot erinnern, das sie unter dem Kopfkissen versteckten.

Mein Vater hat nie über den Holocaust gesprochen. Als ich meine Mutter danach fragte, hat sie mir ein Buch über den Holocaust gegeben und auf die entsetzlichen Fotos der Toten gezeigt. ‚Das ist unsere Familie’, hat sie gesagt.

In der sechsten Klasse bat mich der Schulleiter, bei der Holocaust-Gedenkfeier der Schule Geige zu spielen. Ich weigerte mich. Als mein Vater das hörte, fing er an zu weinen. Ich konnte Vater nicht weinen sehen. Also nahm ich die Bitte an und spielte bei der Zeremonie. Noch sehr lange danach wollte ich nichts mit dem Holocaust zu tun haben. Ich habe das alles tief im Innern vergraben.

Aber,

vor dreißig Jahren hat sich das alles geändert.

Ein junger Mann brachte mir eine Geige zur Restaurierung. Sie hatte seinem Großvater gehört, der in Auschwitz Geige gespielt hatte. Als ich die Geige öffnete, fand ich darin schwarzes Pulver. Mir wurde schnell klar, dass es sich um die Asche von Holocaustopfern aus den Krematorien von Auschwitz handelte, wo sein Großvater zuletzt Geige gespielt hatte.

Diese Entdeckung schockierte mich. Ich wollte die Restaurierung nicht fortsetzen. Aber ein paar Tage später hatte ich das Gefühl, dass ich es einfach tun muss. Ich musste die jüdischen Melodien wieder zum Leben erwecken, die von den Nazis zum Schweigen gebracht wurden.

Damals wusste ich noch nicht, dass dies zu meiner Lebensaufgabe werden würde.

Ich beschloss, so viele Holocaust-Geigen wie möglich zu retten und zu restaurieren.

Seitdem suche ich nach Geigen, die von Juden in den Lagern und Ghettos gespielt wurden und restauriere sie, um sie auf der Konzertbühne wieder zum Leben zu erwecken.

Ich nenne sie Violinen der Hoffnung, weil diese Instrumente die Stimmen und den Geist der Musiker repräsentieren, die sie einst gespielt haben. Wenn ich diese Geigen in Konzerten auf der ganzen Welt spielen höre, habe ich das Gefühl, dass sie die Klänge der sechs Millionen Juden widerspiegeln, die im Holocaust umgekommen sind.

Diese Geigen halfen, das Leben der Musiker zu retten, die sie in den Konzentrationslagern spielten.

Auch heute haben sie die Fähigkeit, Leben zu retten. Denn jedes Mal, wenn Menschen sie spielen hören, erfahren sie mehr und lernen die Lehren, die wir alle aus dem Holocaust ziehen sollten.”

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