Dugo Litner

Holocaustüberlebender von Auschwitz

“Selbst am finstersten Ort der Erde gibt es Humor.

Wenn Menschen an den Holocaust denken, denken sie zu Recht an die Gräuel, die das jüdische Volk erlitten hat.

Die Nazis taten alles, um uns die menschliche Würde zu nehmen. Ich nutzte meinen Humor, um die Menschen um mich herum glücklich zu machen. Das war die einzige Möglichkeit, die ich hatte, um meine Menschlichkeit zu bewahren.

Ein Beispiel:

Der Viehwaggon auf dem Weg nach Auschwitz war so vollgestopft, dass wir uns kaum bewegen konnten. Da verlangte ich von der Person, die fast an mir klebte, mir einen gültigen Fahrschein zu zeigen… Als Antwort hätte ich fast eine Ohrfeige bekommen. Zum Glück gelang es meinem Vater, der zu diesem Zeitpunkt noch bei mir war, das zu verhindern.

Ein anderes Beispiel:

Wenn ich im Todeslager einen der Kapos (ein Häftling, der andere Häftlinge beaufsichtigte) humpeln sah, machte ich ihn hinter seinem Rücken nach. Damit wollte ich meine Kameraden zum Lachen bringen. Wenn der Kapo gesehen hätte, wie ich mich über ihn lustig mache, hätte er mich auf der Stelle getötet.

Ich wurde mit Humor geboren. In meiner Familie wurde immer gelacht. In der Schule und zu Hause habe ich die Menschen um mich herum gern zum Lachen gebracht. Humor ist Teil meiner DNA, so wie die Farbe meiner Augen. Das wird sich nicht ändern. Im Ghetto musste ich den gelben Stern tragen, war aber trotz schrecklicher Entbehrungen ein glückliches Kind, weil ich keinen Unterricht hatte, nicht ins Cheder (eine traditionelle, religiöse Schule) gehen und dort den ganzen Tag sitzen musste.

In Auschwitz putzte ich Toiletten. Das war nicht zum Lachen. Und doch war es für einen Todeskandidaten wie mich der beste Job der Welt. Solange es Menschen gibt, die kacken, braucht man auch jemanden, der putzt. Der Kot stand mir bis zu den Knien. In so einer Situation hat man nur zwei Möglichkeiten − sterben oder lachen. Ich entschied mich fürs Lachen.

Lachen gab mir Kraft. Woher sollte ich sonst die Kraft nehmen, Tag für Tag vor jüdischen Familien zu singen und zu tanzen, die nicht wussten, dass sie in Kürze im Krematorium landen werden?

Später stellte ich fest, dass einem das Lachen nach zehn Peitschenhieben als Bestrafung vergeht.

In den Eimern voller Kot ließ sich Sprengstoff verstecken, der an das Sonderkommando ging. Dieser sprengte das Krematorium Nr. 4 am 7. Oktober 1944. Ich bin stolz, zu diesem Teil der Geschichte beigetragen zu haben.

Ich habe meine gesamte Familie im Holocaust verloren. Nur mein kleiner Bruder, der später in jungen Jahren in Israel ums Leben kam, und einige Cousins haben überlebt. Ich bin durch die Hölle gegangen. Vielleicht ist das der Grund, warum ich folgende Botschaft übermitteln möchte:

In allen Lebenslagen hat jeder von uns die Möglichkeit, zu wählen. Wir können entscheiden, wie wir reagieren.

Ohne meinen Humor und die Hoffnung, dass Vater zu Hause auf mich wartete, wäre ich bestimmt gleich gegen den Elektrozaun gelaufen und hätte mich auf der Stelle umgebracht.

Aus diesem Grund posiere ich mit einem gelben Ballon in Form des Judensterns mit der Aufschrift „Jude“ vor einer Backsteinmauer…

Ich eigne mir das Symbol wieder an, das mich in einen Untermenschen verwandeln wollte. Ich verleihe ihm etwas Optimistisches, ein Lächeln. Wenn ich von meiner Zeit in Auschwitz erzähle, lasse ich Momente der Verzweiflung und Trauer nicht aus. Sie sind alle präsent, aber ich betone eher, dass das Leben gesiegt hat.

Schließlich ist das Glücklichsein eines der wichtigsten Mizwas, also der Gebote im Judentum!
Mein Lebensmotto lautet:
Am Yisrael Chai! (Das Volk Israel lebt!)
Am Yisrael Chai Vekayam! (Das Volk Israel lebt und wird weiter bestehen!)
Am Yisrael Chai Vekayam VeMabsoot! (Das Volk Israel lebt, wird weiter bestehen und ist zufrieden!)“

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