Bat Sheva Dagan

Holocaustüberlebende

“Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn arbeitete ich als Kindergärtnerin. Als die Kinder die tätowierte Nummer auf meinem Unterarm sahen, fingen sie an, Fragen zu stellen. Ich wusste nicht, was ich ihnen sagen sollte. Wie erklärt man ihnen den Holocaust? Wie sollte ich ihnen erklären, was Ghettos und Konzentrationslager sind, ohne auf Vernichtungsmethoden einzugehen? Kinder sind von Natur aus sehr neugierig. Ich konnte ihre Fragen nicht unbeantwortet lassen. Also überlegte ich, wie ich ihnen meine Geschichte erzählen kann, ohne sie zu sehr zu ängstigen.

Ich beschloss, den Holocaust auf meine Weise zu erzählen. Dabei konzentrierte ich mich nicht auf die Gräueltaten, sondern auf Momente der Menschlichkeit. Ich erzählte den Kindern von Freundschaften, von Menschen, die sich gegenseitig geholfen haben, und insbesondere von der bewussten Wahl, die Menschen im Leben haben – von der Wahl zwischen Gut und Böse. Ich betonte die Kraft von Nächstenliebe. Bei meiner Suche nach Wegen, Kindern dieses Thema näher zu bringen, habe ich ihre Wahrnehmungsweise und begrenzte Lebenserfahrung berücksichtigt. „Was geschah während des Holocaust?“; „Reime für Kinder, die mehr wissen wollen“; „Chicka, die Hündin im Ghetto““; „Wenn Sterne sprechen könnten“; „Heute weinte die Sirene“ – sind Titel von Büchern, die ich für Kinder geschrieben habe. Außerdem habe ich noch „Der Segen der Fantasie, der Fluch der Fantasie“ und „Von hier nach dort – eine Zeitleiste“ geschrieben. Das sind Bücher für Jugendliche bzw. Erwachsene.

“Chika, die Hündin im Ghetto“ erzählt die Geschichte eines rührenden Wiedersehens zwischen einem Jungen, der den Krieg mit seinen Eltern im Versteck überlebte, und seinem Hund, der von einem polnischen Bekannten versorgt wurde. Die Geschichte konzentriert sich auf die Beziehung zwischen dem Jungen und seinem Hund. Wie bei all meinen Büchern hat die Geschichte ein Happy End, weil ich nicht möchte, dass meine jungen Leser ihren Glauben an die Menschheit verlieren. Außerdem ist jeder Holocaust-Überlebende ein Happy End für sich.

Anfangs äußerten viele Erwachsene Bedenken gegenüber meiner Holocaust-Literatur für Kinder. Die Kinder selbst reagierten jedoch sehr positiv. Endlich bekamen sie eine Antwort. Heute, da Gräuel per Klick abrufbar sind, halte ich es für umso wichtiger, Kindern auf vorsichtige Weise vom Holocaust zu erzählen. Kinder müssen wissen, dass sie immer die Wahl zwischen Gut und Böse haben. Deshalb empfehle ich, sie langsam an das Thema heranzuführen. In Israel lässt sich das Thema ohnehin nicht umgehen, da jedes Jahr am Holocaust-Gedenktag die Sirenen im ganzen Land ertönen. Da fragen Kinder natürlich.“

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