Behira Barasi

“Mein Mann Isaac wurde 1911 in Thessaloniki, Griechenland geboren. Er war der jüngste Sohn seiner Eltern, hatte einen Bruder und drei Schwestern. Mit Ausbruch des Krieges kämpfte er in den Reihen der griechischen Armee gegen Nazis und Italiener. Nach der Kapitulation der griechischen Regierung kehrte er nach Thessaloniki zurück. Er wollte seine geliebte Familie nicht allein zurücklassen. Zusammen mit seiner Mutter Leah kam er ins Ghetto von Thessaloniki.

Ihre nächste Station war Auschwitz. Dort wurde er während der „Selektion“ von seiner Mutter getrennt. Sie kam in die Gaskammer, er in ein Arbeitslager. Einer der Deutschen schien Isaac zu mögen und nahm ihn in seine Obhut. Isaac hatte Glück. Er überlebte das Todeslager.

Ich traf Isaac in Israel. Ihm gehörte der örtliche Lebensmittelladen. Nach unserer ersten Begegnung gingen wir eine lange Zeit zusammen aus. Ich wusste, dass er während des Kriegs in Europa gewesen war, konnte mir aber nicht vorstellen, was für eine Hölle er überlebt hatte. Damals sprach niemand darüber, was „dort“ geschehen war. Zu Beginn unserer Beziehung habe ich auch keine Fragen gestellt. Ich wollte ihn nicht mit meinen Fragen belasten. Isaac gefiel mir. Er war gebildet und höflich. Die Tatsache, dass er Holocaustüberlebender war, disqualifizierte ihn nicht als Ehemann.

Isaac war ein verschlossener Typ, der Dinge für sich behielt. In seinen Albträumen durchlebte er seine Tage im Vernichtungslager noch einmal. Allmählich öffnete er sich und fing an, mir von Auschwitz zu erzählen. Ich war unfähig, ihm wirklich zu helfen, versuchte aber, ihn mit viel Liebe zu unterstützen. Isaac hätte sein eigenes Leben retten können. Er war ein feiner Mensch und beschloss, trotz des Risikos an der Seite seiner Mutter zu bleiben. Vor den Gaskammern hatte er sie jedoch nicht retten können. Das verzieh er sich bis zu seinem letzten Tag nicht.

An unserem Hochzeitstag dachte er an seine Mutter und brach in Tränen aus, weil sie ihn an diesem bedeutenden Tag nicht sehen konnte. Das, was er im Holocaust durchmachen musste, hat unser gemeinsames Leben bestimmt. Krieg und Holocaust endeten 1945, aber für die Überlebenden war der Holocaust nie vorbei. Bei der ersten Trauerfeier für seine Familie in der Synagoge weinte er untröstlich. Morgen ist ein anderer Tag, pflegte ich ihm zu sagen. Es wird alles gut werden. Dieser gemeinsame Glaube hat uns 53 Jahre lang zusammengehalten. Ihm verdanken wir unsere wunderbare Familie.“

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