Yehudit und Lea Csengeri

Holocaustüberlebende, Auschwitz-Zwillinge

“Bei unserer Ankunft in Auschwitz waren wir erst sieben Jahre alt. Den Anblick von Auschwitz werden wir nie vergessen.

In dem Moment haben wir nicht begriffen, dass wir soeben durch das Tor der Hölle gegangen waren. Lautes Geschrei auf Deutsch. SS-Soldaten mit Kampfhunden, die unaufhörlich bellten. Tausende verängstigte Menschen. Ein Gefühl größter Not.

In dem Tumult hörte unsere Mutter jemanden auf Deutsch „Zwillinge“ rufen. Sie wusste nicht so recht, was sie tun sollte. Sie fragte die Leute um sie herum. Sollte sie sagen, dass sie Zwillingsmädchen hatte? Sie habe nichts zu verlieren, bekam sie zur Antwort . Wir wurden in den Zwillingsblock gebracht, wo wir von einem Moment zum anderen von menschlichen Wesen zu Versuchskaninchen des „Todesengels“ von Auschwitz, Dr. Josef Mengele wurden.

Mengele wollte ein genetisches Rätsel entschlüsseln. Er wollte sicherstellen, dass deutsche Frauen arische, blonde und blauäugige Zwillinge zur Welt bringen würden. Auf diese Weise wollte er die Zukunft des Nazi-Regimes garantieren.

Wir lebten in ständiger Angst, da wir nie wussten, wann wir zu medizinischen Experimenten geholt werden und ob wir sie überleben würden. Uns fiel auf, dass die meisten Zwillinge nicht gemeinsam zurückkehrten. Deshalb hielten wir uns ständig an den Händen. Wir schliefen sogar auf derselben Koje. So konnten wir besser mit der ständigen Existenzangst umgehen.

Wir haben Auschwitz hauptsächlich wegen unserer Mutter überlebt. Sie war unser Schutzengel. Sie riskierte ihr Leben, indem sie sich in unsere Baracke schlich und uns das wenige Essen brachte, das sie hatte. Sie wusch uns sogar im Schnee und kämmte unsere Haare mit einem dicken Kamm, um zu verhindern, dass wir Läuse bekamen. Menschen mit Läusen drohten die Gaskammern. Mutter war sehr mutig. Während eines besonders grausamen Experiments stürmte sie ins Labor und flehte Mengele an, es zu stoppen. Als Reaktion darauf gab ihr Mengele eine Spritze, die sie zwei Wochen lang außer Gefecht setzte.

Die Tatsache, dass wir einander hatten, half uns, zu überleben. Wir haben eine fast mystische Verbindung. Die Welt ist viel heller, wenn wir zusammen sind. Auschwitz hat uns gelehrt, dass die Familie das Wichtigste im Leben ist. Die Familie geht mit dir durch dick und dünn und wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um dich selbst aus dem Rachen der Hölle zu retten.”

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